27. März 2017
Water und Energy: Auf der Messe ISH gab es wieder viel zu entdecken. Im Bild: Besonders feiner Brausestrahl bei Axor. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Fünf Messetage lang haben wir uns wieder durch den ISH-Messedschungel geschlagen und dabei wichtige Impulse mitgenommen. Mit der Digitalisierung des Gebäudes ändert sich zusehends auch die Sanitär- und Heizungswelt – und sucht Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Unser Messerückblick.
ISH – Weltleitmesse Erlebniswelt Bad, Gebäude-, Energie-, Klimatechnik, Erneuerbare Energien (Frankfurt am Main, DE) | 13. – 18. März 2017
Wenn alle zwei Jahre die Messe ISH ihr Tore öffnet, schauen Gebäudetechniker wie Bad-Profils gebannt nach Frankfurt am Main. Dann zeigt die «Weltleitmesse für die Erlebniswelt Bad, Gebäude-, Energie-, Klimatechnik und Erneuerbare Energien» Architekten, Ingenieuren, Designern, Handwerkern und Fachbesuchern der Baubranche neue Sanitärlösungen und Entwicklungen im Bad-Design, energieeffiziente Heiztechnologien und eine nachhaltige Gebäudetechnik, die man nicht verpassen darf. In diesem Jahr war die Spannung wieder besonders groß, denn die das Bauwesen seit einigen Jahren durchdringende Digitalisierung macht selbstredend auch vor der Heizungs- und Belüftungsbranche nicht Halt. Ebenso wenig vor dem Bad, klassischerweise ein Ort für Substanzielles und Körperliches. Hier werden wir in Zukunft viele Möglichkeiten der Technologisierung und Vernetzung haben, bis hin zur medizinischen Schnellanalyse zur Gesundheitsselbstkontrolle. Dem Ideenreichtum der Aus- bzw. Hersteller ist dabei keine Grenze gesetzt. «Water.Energy.Life.» betitelte denn auch die Messegesellschaft die diesjährige ISH, ein Motto, das zumindest zeigt, worum es bei aller Techno- und Digitalisierung im Grunde geht: um den Menschen und seine Art zu leben und zu wohnen. Der Mensch ist schlussendlich auch das verbindende Element der gesamten ISH, die sich wie gewohnt der Topographie des Messegelände entsprechend in die beiden Bereiche Energy und Water auftrennte. In beiden war erwartungsgemäß ein Feuerwerk an Neuigkeiten zu sehen. Zwar ist bekanntlich nicht alles Neue auch innovativ, dennoch haben uns unsere World-Architects Guided Tours und die redaktionelle Recherche manche Produkt-Freude bereitet, die es sich näher anzuschauen in jedem Fall lohnt.
Toto – bekannt für die Washlets – hat dieses Jahr auch eine ergonomische Wellness-Wanne vorgestellt, die sofortige und tiefe Entspannung verspricht. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Soviel lässt sich schon einmal sagen: Auch die diesjährige ISH war von einigen allgemeinen Trends bestimmt, mit denen die Aussteller natürlich recht individuell umgegangen sind. Liebhaber des Designs etwa waren wie gewohnt in den Hallen 3.1 und 4.1 sowie in der Festhalle samt Foyer gut aufgehoben, wo man gut und gerne einen kompletten Tag verbringen kann. Hersteller wie Dornbracht, Alape, Zuchetti Kos, Hewi, VitrA, Bette, Laufen, Grohe, Axor/Hansgrohe oder Villeroy & Boch (um nur einige zu nennen) haben eindrucksvoll gezeigt, dass der Ideenreichtum der Designer nach wie vor weit reicht. Die formale Reduktion ist dabei immer noch einer der Haupttrends, der jedoch zunehmend von charakter- und ausdrucksstarken, zuweilen luxuriösen Tendenzen abgelöst wird. Bronze und Gold paaren sich dabei mit warmen, natürlichen Materialien und Stoffen und ergeben eine neue Mixtur einer eleganten Wohlfühlreduktion. Im Bad verbringt man zwar eine verhältnismäßig kurze Zeit, in der es aber nicht nur praktisch zugehen, sondern die Sinne angesprochen werden sollen. Es geht um den bekannten «little break of the day», um den sich einige Hersteller viele Gedanken machen. Die Welt da draußen ist zurzeit verrückt genug, da darf das Bad gerne zum Rückzugsort werden, zum «private spa» mit Schneckenhausgarantie. Dann aber gerne mit Luxus und Technologie. So lassen sich etwa die im Spiegelrahmen integrierte Beleuchtung in Farben, Form und Stärke individuell anpassen (z. B. Keuco) oder per Smartphone-App die Wettvorhersage samt Nachrichten auf den Spiegel zaubern (VitrA). Wer besonderen Wert auf die automatische Gesundheitskontrolle legt, kann von der Toilette seinen Urin analysieren und sich das Ergebnis aufs Smartphone schicken lassen (Duravit).
Villeroy & Boch glänzte dieses Jahr bei seiner «Crystals Edition» des chinesischen Designers Steve Leung mit Swarovski-Steinen. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Nicht verpassen konnte man auf der diesjährigen ISH das Thema «Dusch-WC», dem sich im Prinzip alle namhaften Toiletten-Hersteller intensiv widmeten. Preislich war hier alles geboten, vom günstigen Einsteigermodell ab 1000 Euro (etwa bei Tece) über die mittlere Preisklasse um 4000 Euro (etwa bei Laufen) bis hin zum Luxusmodell über 10.000 Euro (bei Toto). Die Europäer – bisher eher skeptisch – sollen vom Dusch-WC überzeugt werden, und das nicht nur mit dem Argument der Hygiene, sondern auch mit dem bereits erwähnten «little break of the day», der auch den Toilettengang zum Wohlfühlerlebnis machen soll. Auch das haben wir bei der Gelegenheit gelernt: Das Dusch-WC ist entgegen der allgemeinen Meinung keine japanische Erfindung, sondern (wer hat‘s erfunden?) kommt aus der Schweiz. Der Konstrukteur Hans Maurer aus Zollikerberg bei Zürich meldete 1957 das erste Dusch-WC zum Patent an. Als dieses nach 20 Jahren auslief, brachte 1978 schließlich Geberit den ersten Dusch-WC-Aufsatz und im Folgejahr eine Komplettanlage heraus, 1980 kommt die erste japanische Entwicklung von Toto auf den Markt. Den Siegeszug allerdings tritt das Dusch-WC vor allem in Japan an, wo man zu diesem Thema gegenüber kulturell bedingt eine etwas direktere Haltung hat. Europa soll nun endlich folgen. Nicht zuletzt um die Messebesucher vom neuen Erlebnis zu überzeugen, hat Laufen (wiederum aus der Schweiz) auf ihrem Messestand zwei ihrer Cleanet Riva Dusch-WCs untergebracht – voll funktionsfähig und zum Ausprobieren. Ein Erlebnis!
Toilettenpapier? Nicht mehr wirklich nötig, dank multifunktionalem Dusch-WC, wie etwa bei Geberit. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Ebenfalls mit Spannung erwartet waren – im Bereich ISH Energy – die neuesten Fortschritte in der Entwicklung der Brennstoffzellenanlagen. Musste man auf der letzten ISH 2015 noch nach dieser Technologie suchen, haben sich diesmal ein paar Hersteller mehr damit eingefunden. Die großen Player wie Viessmann haben entsprechende Anlagen natürlich nach wie vor im Programm und ernteten dafür großes Interesse. Aber auch kleinere Firmen haben die Brennstoffzelle im Portfolio. Wie etwa Elcore aus München, die die wohl kleinste Brennstoffzellenanlage der Messe für Einfamilienhäuser zeigten, nur etwas größer als ein ordentlicher Stromkasten. Die Anlage wird nur noch ergänzt durch einen Wärme- und bei Bedarf einen Stromspeicher. Den Wasserstoff für die Brennstoffzelle gewinnen alle Anlagen übrigens aus Erdgas. Dabei entsteht neben Strom und Wärme auch CO2, weniger jedoch als bei herkömmlichen Anlagen, versichern alle Hersteller. Ähnlich effizient arbeiten Blockheizkraftwerke, die ebenfalls Strom und Wärme erzeugen. Besonders kompakte BHKWs für Einfamilienhäuser haben wir etwa bei RMB aus Saterland bei Bremen gesehen. Unternehmen wie ÖkoFEN aus Österreich arbeiten sogar mit Stirling-Motoren und Pellets. Sie alle vereint die Forschung an der Energieautarkie von Gebäuden mit umweltfreundlichen Technologien. Je einfacher, kompakter und schlussendlich günstiger diese Technologien werden, desto näher wird dieses Ziel rücken. Die ISH jedenfalls hat vielversprechende Schritte dahin gezeigt.
Die Brennstoffzelle, in der Wasserstoff und Sauerstoff reagieren, ist eigentlich eine dünne Platte. Im Bild: Elcore mit der kleinsten Brennstoffzellen-Anlage der Messe. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Auch die Vernetzung und Digitalisierung von Heizungssystemen war natürlich ein wichtiges Thema. Wirklich Innovatives beim Thema «Smart Heizung» allerdings haben wir nicht gesehen. Die Hersteller kochen jeweils ihr eigenes, natürlich stets gutes Süppchen und hoffen, dass sich alles per KNX mühelos vernetzen lässt. Sprich: Die Integration einer intelligenten Heizung ins Smart Grid ist und bleibt die Aufgabe des Fachingenieurs. Sofern dieser unabhängig arbeitet, ist das genau genommen eine gute, den Wettbewerb ankurbelnde Nachricht.
Um kompakte (Wärme-)Lösungen aus einer Hand bemühen sich die großen Player der Branche. Hier: Stiebel Eltron. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Was bleibt nach der ISH also für Architekten, Fachingenieure und Verbraucher? Einmal mehr hat die Messe gezeigt, wie vielfältig die Planung eines Gebäudes geworden ist und künftig weiterhin wird. Wir leben in einer Zeit, die – angetrieben durch die Digitalisierung – immer schneller und schnelllebiger wird. Nicht selten ist der Verbraucher mit all den Möglichkeiten und Neuerungen überfordert, nicht nur technologisch, sondern auch gesellschaftlich. Entsprechend groß ist die Sehnsucht nach einfachen Antworten. Auf der ISH war das deutlich zu spüren. Vor allem kleinere Unternehmen, teilweise Start-ups, werden dabei zunehmend interessant. Als Gegenbewegung zur komplizierten Welt kann auch der Trend zum «Private Spa» als Rückzugsort gewertet werden. Denn viele fragen sich, was man in all dem Wirrwarr aus Möglichkeiten wirklich braucht, Stichwort: Suffizienz. Sie und auch die Planer suchen die Konzentration aufs Wesentliche. Wie viel Technologie ist schlussendlich sinnvoll? Das haben einige Hersteller erkannt und bemühen sich um sinnfällige und gute Lösungen. Und der Verbraucher kann sich wieder auf das konzentrieren, um das es eigentlich geht – ganz nach dem Messemotto: Water.Energy.Life.
Ungewohnt kleine BHKWs für Einfamilienhäuser fanden wir bei RMB in Halle 8. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Eine Lüftungsanlage muss nicht kompliziert sein: bluMartin benötigt eine kleine Anlage für eine 80 m² große Wohnung. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Elektro-Heizkörper, formschön als Leiter, allerdings nur für Handtücher, fanden wir bei Tubes. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Vernetzt bis zum Badspiegel, der die neuesten Nachrichten anzeigt, gesteuert per Smartphone-App. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Gold oder zumindest Bronze lösen das klassische Chrom langsam, aber sicher ab. Wie etwa bei: Roca. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Dornbracht präsentierte unter anderem mit anschaulichen Materialkollagen, die von den Designern vor Entwurf zusammengestellt wurden. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Der italienische Designer Roberto Palomba erläutert bei der Guided Tour von Christina Biasi-von Berg seinen Entwurf «waterCandy» für die Handfläche. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Tece bietet – nun serienreif – eine günstige Variante des Dusch-WCs, das sogar ohne Strom funktioniert. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Das obere Ende der Fahnenstange in Sachen Preis findet sich bei Toto für rund 12.000 Euro, dafür mit allem Komfort. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Laufen hat sogar auf dem Messestand zwei Dusch-WCs zum Ausprobieren angeboten – natürlich im Separee und ohne Zuschauer. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Omnipräsent waren natürlich auch zahlreiche Sanitärmöbel-Entwürfe, hier etwa von Patricia Urquiola für Laufen. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
Entspannung schon durchs Zuschauen: Bei Gessi aus Italien Steine balanciert, natürlich passend zu einer der Kollektionen. (Bild: Mathias Duerr / World-Architects)
ISH 2017: Impressionen unserer World-Architects Guided Tours mit Christina Biasi-von Berg, Peter Ippolito & Gunter Fleitz, Peter Joehnk, Prof. Markus Pfeil, Julius Reimann, Susanne Brandherm, Alexandra Busch & Thomas Geuder
Verwandte Artikel
-
Spotlight on Italy
16.05.18
-
Bologna Shoah Memorial
20.07.15